Dank Tor-Debütant Nick Woltemade und jeder Menge Zähigkeit hat die deutsche Fußball-Nationalmannschaft einen Riesenschritt in Richtung WM gemacht. Die leidenschaftliche Auswahl von Julian Nagelsmann kochte den Hexenkessel Windsor Park in Belfast mit Widerstandskraft und Wille runter und setzte sich glanzlos im wegweisenden Qualifikationsspiel gegen Nordirland mit 1:0 (1:0) durch.
Damit behauptete die DFB-Elf Platz eins in der Gruppe A und bescherte Bundestrainer Nagelsmann ein ruhigeres zweijähriges Jubiläum auf der DFB-Bank am Dienstag. In den abschließenden Duellen mit Außenseiter Luxemburg und DFB-Schreck Slowakei im November kann sie die 21. WM-Teilnahme aus eigener Kraft perfekt machen.
Woltemade (31.) ließ die 850 mitgereisten deutschen Fans unter den gut 18.000 Zuschauern mit seinem ersten Tor im sechsten Länderspiel jubeln. Im Verbund mit viel Kampf und Nehmerqualitäten gegen die teils raue Gangart der Nordiren reichte dies, um der "Green & White Army" die erste Heimniederlage seit Oktober 2023 beizubringen. Kleiner Wermutstropfen: Karim Adeyemi sah die zweite Gelbe Karte und wird in Luxemburg gesperrt fehlen.
Nagelsmann setzte auf jene Elf, die drei Tage zuvor Luxemburg aus seinem alten Sinsheimer "Wohnzimmer" gejagt hatte (4:0) - und damit erstmals seit der Gruppenphase der Heim-EM 2024 in zwei aufeinanderfolgenden Spielen auf dieselbe Startformation.
Ihr Auftrag: "Verlieren ist auf jeden Fall verboten, besser ist es, zu gewinnen", sagte Nagelsmann bei RTL, während sich das Publikum mit "Thunderstruck" von AC/DC und dem Evergreen "Sweet Caroline" auf den nächsten Coup nach dem 2:0 gegen die Slowakei einstimmte. Mit Spielbeginn wurde jeder gewonnene Zweikampf frenetisch gefeiert.
Nagelsmann hatte vor der Atmosphäre ebenso gewarnt wie vor der typisch britischen Spielweise mit langen Bällen. Exemplarisch vorgeführt wurde diese erstmals in der 14. Minute, als Stürmer Jamie Reid einen Abpraller zur vermeintlichen Führung nutzte, die wegen Abseits aber nicht zählte.
Wenn die DFB-Auswahl am Ball war, verrammelte die Nummer 72 der Weltrangliste sich im 5-3-2-System im eigenen Strafraum. Deutschland tat sich schwer, diesen Riegel aufzubrechen, Nagelsmann trieb seine Mannschaft unermüdlich an, diskutierte, gestikulierte.
Außer einem Distanzschuss des Sechsers Aleksandar Pavlovic (20.) brachten seine Schützlinge aber nichts Gefährliches zustande. Stattdessen bekamen sie die Härte der Nordiren zu spüren: Kapitän Joshua Kimmich wurde von einem Knie am Hinterkopf getroffen, Nico Schlotterbeck von einem Stollenschuh an der Wade.
Spielerisch war dagegen kaum anzukommen, aber mit Standards. Und so fiel die Führung nicht zufällig nach einer Ecke von David Raum, der bei Newcastle in England gestählte Woltemade vollstreckte etwas glücklich mit der linken Schulter. Es war bereits der fünfte deutsche Treffer in der WM-Quali nach einem ruhenden Ball.
Nordirland wechselte mit Wiederbeginn offensiv - und plötzlich ergaben sich Räume. Nach einem feinen Pass von Florian Wirtz ließ Adeyemi freistehend das 2:0 liegen (47.).
Deutschland kontrollierte das Geschehen mit viel Ballbesitz, zündende Ideen oder gefährliche Abschlüsse blieben aber aus. Das hätte sich beinahe gerächt, doch Torwart Oliver Baumann rettete stark gegen Shea Charles (59.).
Serge Gnabry scheiterte aus spitzem Winkel (70.), doch Nagelsmanns Mannschaft fehlte es an Souveränität. Fußballerisch blieb vieles zu wünschen übrig, das Offensivspiel Stückwerk. Wirtz mühte sich redlich, sein Formtief abzuschütteln, doch es gelang ihm nur in wenigen Szenen, seine herausragende Klasse zu zeigen. In der Schlussphase hielt Baumann den Sieg fest.